Lärm in die Ostschweiz abgeschoben

Mittwoch, 19. April 2006

Durch die neuen deutschen Flugverordnungen ist es dem Flughafen Zürich nicht mehr möglich, über wenig bebaute und seit Jahrzehnten raumplanerisch gewachsene Gebiete an- oder abzufliegen. Kurzerhand wurden deshalb Flugrouten geändert und laufen neu über dichtest besiedelte, bisher nie für Flugrouten bestimmte Gebiete.

In der Region Hinterthurgau, Wil bis Niederhelfenschwil werden wir nun mit Fluglärm von 5 Uhr früh bis 23 Uhr 30 spät versorgt. Besonders heftig in den frühen Morgenstunden, um die Mittagszeit und in den Abendstunden. Feiertage sind keine Ausnahmen, was wir an Ostern wieder erleben durften.

Wer sich selbst einmal ein Bild davon machen will, soll zu besagten Zeitpunkten in diesen Regionen etwas laufen gehen. Schlafen mit offenen Fenstern ist kaum mehr möglich. Entspannung im Garten oder auf dem Balkon wird durch das ständige Gedröhne der Flugzeuge verunmöglicht.

In vielen Ländern befinden sich Flughäfen am Meer oder in wenig besiedelten Gebieten abseits der Städte. In Zürich steht der Flughafen in einer der dichtest besiedelten Regionen Europas. Sicherlich braucht die Schweiz weiterhin eine gute Verbindung zum Rest der Welt, dies bestreitet niemand. Einen «Megahub» als Drehscheibe für den internationalen Flugverkehr halte ich jedoch unter den jetzigen Rahmenbedingungen als vermessen und inakzeptabel.

Vieles erinnert mich sehr an die früheren Bedingungen in Hongkong. Hier wurde ebenfalls ohne Rücksichtnahme auf die Slumbevölkerung direkt über dichtest besiedeltem Gebiet gestartet und gelandet. Heute gibt es einen neuen Airport, der auf das Meer ausgerichtet wurde. In Zürich haben wir bekanntlich kein Meer aber politisch schwächere, landwirtschaftliche Regionen, die als solches herhalten sollen. Nicht unerwartet hat sich bisher kaum ein St. Galler Politiker gegen die Absenkung des Flugraumes in der Ostschweiz gewehrt, wodurch es neu in den frühen Morgenstunden zu direkten, extrem lauten Anflügen mit Schub auf die Ostpiste kommt und zudem Abflüge über den landenden Flugzeugen gemacht werden können. Diese Anflüge führen zu starken Lärmbelastungen schon 80 km vor der Landebahn und betreffen dadurch ein grosses Gebiet der Ostschweiz. Im Herbst, so wird prophezeit, werden mit dem neuen Instrumentenlandesystem für die Ostpiste diese Anflüge noch zunehmen.

Die Region Zürich setzt sich seit langem vehement gegen den Südanflug ein und wird damit aufgrund starker politischer und finanzieller Interessen wahrscheinlich mehr Erfolg haben als St. Gallen, welches in diesem «Spiel» nicht einmal mitreden kann. Umso trauriger ist dies, als Zürcher Politiker ganz massgebend für die heutige Misere in den Verhandlungen mit Deutschland verantwortlich waren.

Die Ostregionen, zu denen auch St. Gallen gehört, warten vorläufig ab, bleiben still, wie es sich für einen guten Ostschweizer gehört, und haben im SIL-Prozess, in dem es über die zukünftige Verteilung des Fluglärms geht, nicht einmal ein Stimmrecht. Ich und die betroffenen Gemeinden würden sich von den St. Galler Politikern etwas mehr Engagement zu diesem Thema erwarten. Meine und die Befürchtung vieler Betroffener ist, dass wir Ostschweizer diese Entwicklung verschlafen und das grosse Jammern dann beginnt, wenn Zürich und Bern entschieden haben, dass wir den Grossteil aller An- und Abflüge abbekommen werden und somit das «Bauernopfer» für das ausgefallene Süddeutschland wurden.

Peter Ammann Schlossberg 35, 9526 Zuckenriet
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