Beim Embraer hört der Spass auf

aus dem Tagblatt vom 10. Februar 2012

ALTENRHEIN. Der Embraer-Jet der People's Viennaline bringt auch Anrainer auf die Palme, die dem Airport in Altenrhein bisher positiv gegenüberstanden. Von der örtlichen und kantonalen Politik fühlen sich Hardliner und Gemässigte im Stich gelassen.

RUDOLF HIRTL

Am Samstagmorgen nach Wien düsen, die Oper und ein Schnitzel geniessen und am Sonntag rechtzeitig vor den Abendnachrichten die Füsse in der eigenen Stube hochlagern. Seit März vergangenen Jahres machten gleich zwei Airlines derartige Kurztrips ab Altenrhein in die österreichische Hauptstadt möglich. Weniger gross ist der Fun-Faktor für in der Nähe des People's Business Airport St. Gallen-Altenrhein lebende Menschen. Denn seit die Viennaline mit einem zweistrahligen Embraer-Jet abhebt, habe der Lärmpegel beim Airport «das zu ertragende Mass überschritten». Dieser Meinung sind nicht nur eingefleischte Flughafengegner, sondern auch Leute, die mit dem Airport «bisher gut leben konnten».

Drohanrufe und Repressalien
Mitglieder der Aktion gegen Fluglärm (AgF) und unabhängige Vertreter aus dem Dorf und der Umgebung haben ihrem Unmut beim Treffen mit dem Tagblatt Luft gemacht. Auf Bitte mehrheitlich anonym, zumal in der Vergangenheit Drohanrufe und gar berufliche Repressalien die Folge von Meinungsäusserungen gegen den Betrieb des Airports gewesen seien. Keine Scheu, an die Öffentlichkeit zu treten, hat AgF-Vizepräsidentin Cécile Metzler, Rorschacherberg. «Dass sich Menschen, die hier in der Region aufgewachsen sind, emotional mit dem Airport verbunden fühlen, kann ich nachvollziehen. Ich akzeptiere auch, wenn Menschen Freude an der Fliegerei haben. Was der Bevölkerung aber seit dem Start der People's Viennaline zugemutet wird, ist nicht mehr tragbar.» Hat man laut Metzler mit den Turboprop-Maschinen von Austrian Airlines (AUA) zähneknirschend leben können, so wird der 76plätzige Embraer 170 der People's Viennaline als sehr laut empfunden. Überhaupt kein Verständnis hat die Runde, bestehend aus militanten und gemässigten Flughafengegnern, dafür, dass nun zwei Fluggesellschaften um die Kundschaft auf die Wien-Linie buhlen und mehrheitlich mit beinahe leeren Maschinen operiert werde. Nicht selten würde beobachtet, so die Bewohnerin eines benachbarten Hauses, dass weniger als zehn Passagiere in die Flugzeuge einstiegen.

Standläufe auch zur Unzeit
«Die AUA startet bereits um 6.30 Uhr, zwanzig Minuten später People's und nochmals zwanzig Minuten später landet die erste Linienmaschine aus Wien», ergänzt ein Anwohner verärgert und verweist darauf, dass der Umkehrschub beim Bremsen mindestens «soviel Krach verursacht, wie die startenden Maschinen». Nicht nur der Linienverkehr beim Airport steht in der Kritik. Zwar habe sich der Airport verpflichtet, Standläufe (nach Wartungsarbeiten an den Turbinen sind sog. Standläufe erforderlich, die bis zum Volllasttest reichen können) nur montags bis freitags auf einem dafür festgelegten Platz durchzuführen. «Davon kann aber leider keine Rede sein. Standläufe werden auf dem ganzen Areal und auch ausserhalb der geregelten Zeiten durchgeführt», sagt ein Betroffener (98 Dezibel wurden bei nahen Einfamilienhäusern gemessen) und schlägt vor, den Flugplatz zu schliessen und das Gelände dem Naturschutz zuzuführen. Diese radikale Meinung findet in der neunköpfigen Runde keine lückenlose Unterstützung. Einig sind sich die Teilnehmer hingegen, dass die Airport-Führung auch bei der Vergabe von Ausnahmebewilligungen «zu lasch vorgeht». Dies führe dazu, dass Fluglärm auch frühmorgens, während der Mittagsruhe und in der Nacht zu ertragen sei. «Bis zu dreissig und mehr Sonderbewilligungen pro Monat werden vom Airport erteilt», sagt ein der AgF nahe stehendes Mitglied und legt als Beweis eine Auflistung des Bundesamtes für Zivilluftfahrt (Bazl) auf den Tisch. Auffallend viele dieser Ausnahmebewilligungen stehen in Verbindung mit dem Flugplatz Schwäbisch Hall (auch: Adolf Würth Airport), der von der Würth-Gruppe betrieben wird, die am Rorschacher Seeufer ein Millionenprojekt aus dem Boden stampft.

Lösung nur am runden Tisch
Auf Unterstützung von politischer Seite hofft die Gruppierung laut Cécile Metzler nicht mehr. «Denn von der Gleichgültigkeit des Gemeindepräsidenten und hiesiger Kantonsräte», was die Anliegen der Flughafengegner betreffe, sei man mehr als nur enttäuscht. «Der Ball wird nur ständig hin und her gespielt.» Aus diesem Grund betonen die Gesprächsteilnehmer, würden weiterhin sämtliche Baugesuche mit allen möglichen Mitteln bekämpft, obwohl das Bundesverwaltungsgericht die geforderte Umweltverträglichkeitsprüfung angeordnet habe, was die Umsetzung von Bauprojekten am Airport um Jahre verzögern könne. «Wir sind aber jederzeit gesprächsbereit», sagt Metzler. Als Punkte für eine mögliche Annäherung nennt sie den Ersatz des Embraer durch eines leiseres Flugzeug, die markante Reduzierung von Standläufen, oder eine technische Lösung dafür, sowie die Einschränkung von Ausnahmebewilligungen auf ein absolutes Mindestmass.

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